Aus: „200 Jahre Kath. Pfarrkirche St. Johannes d.
Täufer Unter-Schönmattenwag“
Trautes Dorf nach alter Sitte. . .
Streifzüge durch die Geschichte von Unter-Schönmattenwag
Von Dr. Peter W. Sattler
"Die Kirche im Dorfe lassen", ist eine weithin bekannte Redewendung, die vor Übertreibung und Ausuferung warnen will. Es traditionell belassen beim alten, dazu fordert diese Volksweisheit auf. Freilich, da gibt es noch ein weiteres, das Bild der Kirche gebrauchendes geflügeltes Wort: "Kirchturmpolitik betreiben"; das meint, nicht weiter denken, als die Kirchturmspitze reicht, nicht über das Dorf hinaus denken, Blickverengung produzieren, Horizontbeschränkung. Zwischen "die Kirche im Dorfe lassen" und der "Kirchturmpolitik" liegt der Spielraum, der hier angesprochen sein soll und den der unbekannte Poet, ganz auf die Ortschaft Unter-Schönmattenwag zutreffend und bis heute gültig, so in Worte faßt:
Trautes Dorf nach alter Sitte,
hast du noch dein Kirchlein stehn,
in des stillen Hofes Mitte,
wo zur Ruh die Toren gehn.
Die Kirche ist noch heute vielerorts Mittelpunkt eines Dorfes, religiös, kulturell, gesellschaftspolitisch. Diese Feststellung trifft auch für die Bürgerschaft von Unter-Schönmattenwag zu, sonst hätte sie sich ja wohl nicht des ins Hause stehenden diesjährigen Jubiläums erinnert. Vor jetzt genau 200 Jahren, nämlich im Jahre 1789, wurde das Gotteshaus in diesem reizvollen Teil des Ulfenbachtales weitgehendst in der heutigen Bausubstanz geschaffen und geweiht. Die Kirche St. Johannes Baptist hat also 1989 Geburtstag, und die katholische Kirchengemeinde und mit ihr die Gesamtbevölkerung nicht nur von Unter-Schönmattenwag, sondern auch der Gesamtgemeinde Wald-Michelbach, feiert ihn beziehungsweise begeht ihn feierlich mit.
Die Kirche also ist Anlaß, den Blick in die Talschaft um Schönmattenwag zu lenken, wie im Jahr zuvor nach Wald-Michelbach, wo ebenfalls die dortige Kirche die Ursache war, das 750jährige Bestehen dieser Siedlung am Michelbach feierlich zu begehen. Papst Gregor IX. bescheinigte in der Urkunde vom 28. Mai 1238 den Mönchen des Klosters Lorsch deren Besitz an der Kirche zu Wald-Michelbach. So tritt die Kerngemeinde erstmals urkundlich an das Licht der Geschichte
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Wo eine Kirche erwähnt wird, muß es auch eine Siedlung geben, sonst verliert Kirche ihren Sinn. Sicherlich ist auch Wald-Michelbach ("Michinbach") älter als es die erste urkundliche Nennung vorzugeben scheint. Ob allerdings Wald-Michelbach schon im Jahre 1012 existiert hat, ist anzunehmen, aber nicht urkundlich nachprüfbar. In der Grenzbeschreibung jenes Lorscher Wildbannes aus dem Jahre 1012 aber ist erstmals ein "Spumosum Stagnum" erwähnt.
Dieses "Spumosum stagnum" ist nichts anderes als die lateinische Übersetzung von "schäumender Wog", aus althochdeutsch scumo = Schaum bzw. schumn = schäumen und Wage (= Woog) = bewegtes Wasser. Weshalb sollten sich an dieser Talenge nicht die Wasser des Ulfenbaches gestaut und einen schäumenden Wog gebildet haben? Diese natürliche Eigenschaft dürfte dann auf die in seiner unmittelbaren Nähe sich entwickelnde Siedlung übergegangen sein.
Die Namensformen "Schimachtenwaagen" (1390), "Schimachtenwage" (1393) beispielsweise sind Bezeichnungen, die noch heute im mundartlichen "Schimeldewog" weiterleben und konserviert sind. Das heutige hochdeutsche Wort "Schönmattenwag" ist hingegen eine sprachliche" Verschlimmbesserung", eine Verbalhornisierung und spiegelt dem Unwissenden unhistorische "schöne Matten" vor. Diese mag es heute dort auch geben, denn Schönmattenwag ist dem Fremdenverkehr sehr aufgeschlossen, aber etymologisch haben "Wog" und "Matte" nichts gemeinsam.
Der Raum um Unter-Schönmattenwag kam durch Schenkung der Mark Heppenheim durch Karl dem Großen im Jahre 773 an das Reichskloster Lorsch und 1232 an die Erzbischöfe von Mainz, die den reichen Klosterbesitz übertragen bekommen hatten. Diese gaben Unter-Schönmattenwag als Mainzer Lehen an die Herren von Hirschhorn weiter. In einem Mainzer Lehensbrief von 1364 wird das Schloß Hirschhorn als Mainzisches Lehen aufgeführt. 1390 erhielt Hans von Hirschhorn das Dorf Unter-Schönmattenwag von Erzbischof Konrad von Mainz zu Lehen. ("Schumechtenwaage"). Es gehört also von diesem Zeitpunkt an Unter-Schönmattenwag mit aller Gerechtigkeit, Vogtei und Frondienst zur Herrschaft Hirschhorn, die Einwohner dieses Ortes waren Leibeigene, Untertane dieses Reichsrittergeschlechts. Nicht umsonst führt noch heute die Ortschaft Unter-Schönmattenwag das "Hirschhorn" in seinem Wappen, auch auf alten Grenzsteinen im Westen der Gemarkung kann man dieses Hoheitszeichen der Herren von Hirschhorn entdecken.
In Unter-Schönmattenwag hatten die Herren von Hirschhorn ein eigenes Hundshaus, in dem eigens für sie die Hunde zur Jagd gehalten wurden. Im benachbarten Wald Michelbach war übrigens der Müller der Pfalzmühle mit dieser Aufgabe betraut, freilich als Jagdhundhalter für die mächtigen Pfalzgrafen. - Die herrschaftlichen Waldungen in Unter-Schönmattenwag umfaßten im Jahre 1556 2268 Morgen. Daneben besaß auch die Gemeinde einen eigenen Wald, den Heckwald. Auch ein herrschaftliches Gut befand sich in Unter-Schönmattenwag. 1623 hatten dieses die Freiherren von Metternich von Margarete von Hirschhorn käuflich erworben. Von diesen kauften es die Karmeliter 1698 um 250 Gulden. Später ist es wahrscheinlich zur Pfarrei von Unter-Schönmattenwag gezogen worden.
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Obwohl die Herren von Hirschhorn Kurmainzer Lehensträger waren, dienten Angehörige dieser reichsritterlichen Familie den Pfalzgrafen und Kurfürsten bei Rhein in Heidelberg. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb im Verlauf der Reformation die Herren von Hirschhorn, ihnen voran Hans X., zur neuen Lehre übertraten. Doch mit dieser Feststellung sind wir der Zeit chronologisch vorangeeilt und müssen uns einem anderen geschichtlichen Ereignis nachtragend zuwenden.
Unter-Schönmattenwag spielt im Zusammenhang mit den nach Hirschhorn gerufenen Karmelitern eine nicht untergeordnete Rolle, in bezug auf den Kirchenneubau der Jahre 1775 bis 1780 sogar eine außerordentlich bedeutsame.
Der Karmeliterorden entstand in Palästina,. am Berg Kamel Mitte des 12. Jahrhunderts. Ab 1240 entstanden auch im Gebiet des heutigen Hessen Klöster der Karmeliter. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts bauten die Herren von Hirschhorn zwischen ihrer Burg und Stadt Hirschhorn eine Kirche, die sie um 1400 den Karmelitern übergaben (Ritter Hans von Hirschhorn, gestorben 1430). Dieses Karmeliterkloster in Hirschhorn blieb das einzige Kloster dieses Ordens im heutigen Kreis Bergstraße. Erstmals urkundlich bezeugt ist dieses Karmeliterkloster im Jahre 1404, geweiht wurde es 1406. In diesem Jahr wurde die Hirschhorner Burgkapelle dem Karmeliterkloster einverleibt. Diese Burgkapelle war mit Gütern und Einkünften unter anderem auch aus Unter-Schönmattenwag ausgestattet. Im Jahre 1345 gaben Ritter Engelhard "vom Hirschhorn" und seine Ehefrau Else von Schaumburg zu ihrem und ihrer Vorfahren Seelenheil für eine ewige Messe dem jeweiligen Priester zu dem Altar und der Kapelle auf der Burg Hirschhorn ihren Teil des Zehnten zu Unter-Schönmattenwag (Nidern Schemmechtinwage). Ein Jahr später, 1346, werden folgende Kapellenpfründe (Güter und Einkünfte) genannt: 2 Teile am Fruchtzehnten in der Mark bzw. im Bann des Dorfes Unter-Schönmattenwag (Nidern Schymechtinwage) usw..
Als sich nun die Ritter von Hirschhorn der neuen Glaubenslehre zuwandten, vertrieben sie die Karmeliter aus dem Kloster und ihrem sonstigen Besitz und ihren Rechten. Die Reformation wurde im Land der Hirschhorner und damit auch in Unter-Schönmattenwag eingeführt. Schon 1632 starb das Geschlecht derer von Hirschhorn aus. Der letzte Sproß im Mannesstamm war der kinderlose Friedrich von Hirschhorn. Nach seinem Tode fielen die Besitzungen, die, wie bereits gesagt, Mainzer Lehen waren, an Mainz zurück. Nachdem der Mainzer Kurfürst auch somit Unter-Schönmattenwag wieder an sich gezogen hatte, führte er die Bewohner wieder zur katholischen Lehre zurück. Doch vier Jahre darauf, 1636, kam Hirschhorn mit dem Dorf Unter-Schönmattenwag vorübergehend für 30000 Reichstaler in den Pfandbesitz des Rudolf Raitz von Frentz. 1698 löste Kurmainz diese Pfandschaft wieder ein. Mit dem Ende des Mainzer Kurstaates durch Napoleon im Jahre 1803 kam Unter-Schönmattenwag zusammen mit dem Mainzer Amt Hirschhorn im Oberamt Starkenburg durch die Säkularisation an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, die 1806 zum Großherzogturn erhoben wurde. An der Südgrenze der Gemarkung stehen Grenzsteine mit dem großherzoglichen Wappen.
Abschließend interessieren noch die kirchlichen Verhältnisse, die ja Ausgangspunkt unserer geschichtlichen Betrachtungen waren und auf die noch andere Beiträge in dieser Schrift ausführlich eingehen werden.
Unter-Schönmattenwag erhält eine Kapelle
.Die älteste urkundliche Nachricht über die Kirchengemeinde Unter-Schönmattenwag stammt aus dem Jahre 1406., Man findet sie im Lagerbuch des Carmeliterklosters in Hirschhorn. Damals im Jahre 1406 wurden alle Teile des Zehnten in Unter-Schönmattenwag von den Brüdern Johann, Eberhard und Conrad zu Hirschhorn für die Besoldung der Schloßkaplanei in Hirschhorn verwandt. Diese Kaplanei wurde von den Carmelitern versehen.
Bereits 30 Jahre später, im Jahre 1434, verbot Bischof Friedrich von Worms den Carmelitern in Hirschhorn die Ausübung des Gottesdienstes in der Liebfrauenkapelle in Unter-Schönmattenwag, solange diese noch nicht geweiht ist. Also mußte in diesen 30 Jahren zwischen 1406 und 1434 die erste Kapelle in Unter-Schönmattenwag erbaut worden sein.
Am 29. Juli 1461 stiftete Ritter Melchior von Hirschhorn eine Pfründe (Kaplanei) in der St.-Marienkapelle zu "Schemptenwage", die bisher noch keine Messe besaß und übertrug sie dem Pfarrer Peter Fegemyst zu Heddesbach mit der Auflage, wöchentlich mindestens drei Messen zu lesen.
Durch die Einführung der Reformation wurde zunächst nichts an dem Verhältnis zur Mutterkirche Heddesbach geändert. Das einzige was sich ab und zu änderte war die Glaubensrichtung katholisch oder evangelisch.
Als aber im Jahre 1636 Schönmattenwag endgültig wieder katholisch wurde, beschloß Kurfürst Casimir die Gemeinde den Carmelitern zu unterstellen. Diese hielten dann auf Anordnung des Kurfürsten Johann Philipp im Jahre 1651 dort 14tägig Gottesdienst. .
Die gotische, um 1430 errichtete Kapelle vermochte die Jahrhunderte nicht ohne bauliche Schäden zu überstehen. 1716 war sie stark baufällig geworden. Dies kann man einem Rechtsstreit zwischen dem Kloster und der Gemeinde entnehmen.
Das Kloster hatte eine Baupflicht am Kirchturm glatt abgelehnt. In seinem Begründungsschreiben vom 13. März 1761 gibt der Prior zwar zu, daß das Kloster der Zehntherr in Unter-Schönmattenwag sei. Zweidrittel des Zehnten erhielten sie wegen der täglichen Messe in Hirschhorn und ein Drittel als Pfarrer in Schönmattenwag, doch seien sie nicht gehalten zur baulichen Unterhaltung des Kirchenturmes. Der Prior verwies in seinem Schreiben auf das in Schönmattenwag noch vorhandene Kaplaneigut, das der Kaplan von Heddesbach als Pfarrer von Unter-Schönmattenwag bereits vor der Reformationszeit besessen habe und in der Zeit der Lutheraner in die Hände der Bauern gekommen, heute aber noch vorhanden sei. Daraus müsse die Baupflicht am Kirchenturm bestritten werden. Der Streit zog sich über drei Jahre hin, bis das Wormser bischöfliche Vikariat am 20. Januar 1719 die Entscheidung fällte. Das Kloster wurde für nicht schuldig erkannt, die Kirchenturmreparaturen zu übernehmen. Dies sollte aus den Kaplaneigefällen geschehen.
In Wirklichkeit mußte die Gemeinde die ganzen Kosten aufbringen. Sie ließ 1720 den Turm abbrechen und wieder aufbauen. Dazu mußte sie Kapital aufnehmen, das sie 1723 wieder abtragen konnte.
Doch war das Lossprechen der Carmeliter von der Turmbaupflicht für diese nicht harmlos verlaufen. Das bischöfliche Vikariat hatte in den vorgelegten Abrechnungen Unstimmigkeiten entdeckt. Deshalb befahl es den Carmelitern innerhalb einer Frist von 15 Tagen dem bischöflichen Konsistorium vorzutragen, wo die dem ehemaligen Prior im Jahre 1686 aus dem Schönmattenwager Kaplanerfond gegebenen 80 Gulden hingekommen seien. Zum gleichen Termin hatten sie die dem Pater Maurus im Jahre 1678 gegebenen 60 Gulden einzusenden. Das Vikariat griff eine bis ins Jahr 1601 zugreifende Unstimmigkeit auf und verlangte Klärung darüber innerhalb von vier Wochen. Weiter hatten die Carmeliter zu klären, ob sie .bereit seien, den von der Gemeinde gewünschten beständigen Gottesdienst zu übernehmen und was sie dafür an Geld fordern wollen. Darüber hinaus wurden mit dem gleichen Dekret alle anderen Verbindlichkeiten des Klosters überprüft. Innerhalb der Frist von 14 Tagen mußte das Kloster eine vollständige Kopie aller bischöflichen Bestätigungsschreiben des Jahres 1646 über die Fundation aller vom Kloster übernommenen Kaplaneien vorlegen sowie über die Einkünfte, Gefälle, Renten in all diesen Orten. Alle Angaben sollten so gemacht werden, daß sie durch ein Dokument belegt werden konnten.
Die Carmeliter hatten zwar den Machtstreit um den Kirchturm gewonnen, aber viel Vertrauen beim Bischof eingebüßt. .
Unter-Schönmattenwag wird Pfarrort
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Im Jahre 1740 bahnte sich ein neuer Rechtsstreit für die Kirchengemeinde an.
In einem Memorial wandte sich Schultheiß, Bürgermeister, Gericht und die ganze Gemeinde Unter-Schönmattenwag an den Mainzer Kurfürsten mit der Bitte um einen eigenen Pfarrer:
"Zur Errettung unserer und unserer Weiber und Kinder, auch Kindeskinder Seelen von dem ewigen Verderben. . . sind wir bedrängt und äußerst gemüßigt, Eurer Kurfürstlichen Gnaden fußfälligst vorzustellen, welcher Gestalten über 60 Gemeindsleute, mithin über 300 Seelen, in dem gottlob ganz katholischen, mit einer Kirche und allen Paramenti, auch Kelch und Monstranz versehenen, dero hohem Erzstift zugehörigen Dorf Unter-Schönmattenwag sind, welche aber leider Gottes nur alle 14 Tag einen Geistlichen aus dem löblichen Carmeliterkloster von Hirschhorn haben. . . Die anderen Sonn- und Feiertage aber müssen und sollen wir als katholische Christen über zwei Stund weit entweder in die Pfalz, als nach Kreuz-Steinach und Waldmichelbach, oder nach Hirschhorn, um eine heilige Messe zu hören, einen gar weiten Weg gehen. Und wann an diesen Extra-Sonn- und Feiertägen, wo der Geistliche nicht anhero kommt, Regen und ungestümes Wetter einfallet, so hören die wenigsten von uns eine hl. Messe. Wie dann diesen vergangenen sehr harten und rauhen Winter von allen diesen Seelen, - welches mit blutigen Zähren zu beweinen - gar keine in die Kirche kommen und eine hl. Messe hören können, weil wir in einem und zwar ganz katholischen, mit einem gar starken Jugend angefüllten Dorf keinen eigentümlichen, in loco selbst wohnenden zeitlichen Pfarrherrn haben, da doch die mehrsten um uns herumliegenden anderen Orte, welche nicht einmal ganz katholisch, bei weitem nicht die Hälfte der katholischen Seelen als bei uns haben, dennoch mit einem eigenen, in dem Ort wohnhaften, katholischen Seelenhirten zum Trost der Schäflein versehen sind. Wir bitten, uns nit allein einen beständigen Seelsorger als Parochum des Orts, so zwar Wormser Diözese ist, aber Eure Kurfürstliche Gnaden das Jus patronatus allda haben, gnädig zu setzen, sondern auch zu Mehrung dessen Subsistenz aus dero Cameral-Aerario etwa 50 Gulden nebst einem Fuder Eschelbacher, ein und das andere Jahr mehr nicht denn 15 höchstens 20 Gulden geltenden, schlechten Bruhrheiner Weins aus der Amtsverweserung Hirschhorn gnädigst zu bezahlen und abgeben zu lassen, wozu wir als die hiesige arme vor 8 Jahren über die Hälfte abgebrannte, auch mit schlechten und bergigten, anbei gar wenig Gütern versehene, jedoch aufrecht und gut katholische Gemeinde aus unseren wenigen gemeinen Mitteln jährlich 20 Gulden an Geld einem zeitlichen, jedoch beständig im Ort wohnenden Pfarrherrn dazu zu zahlen uns anheischig machen; dabei auch offerieren und schriftlich von uns geben wollen, solchen unseren zeitlichen Pfarrherrn jährlich zu beholzen und ihm das gnädigst zuzulegende Fuder Wein von Eschelbach (liegt etwa 12 km südöstlich von Wiesloch), mithin 8 Stunden weit, nach Unter-Schönmattenwag unentgeltlich zu führen. Verbinden uns hiermit ebenfalls, solchem auf dem wirklich in loco unweit der Kirche seienden großen Pfarr- und Caplaneiplatz ein Haus und Scheuer, wo vor alters dergleichen schon gestandenen, auf unsere Kosten zu bauen und völlig herzustellen, wenn wir aus unseren Gemeindewaldungen oder Hackschlägen etwa 100 abständige und brandzerstörte, z. T. oben schon ganz dürr seiende und mit der Zeit von sich selbsten vergehende Bäume verkaufen dürfen."
Dieses über die örtlichen Verhältnisse hinaus kulturgeschichtlich so interessante Schreiben leitete der Amtsverweser in Hirschhorn am 24. August 1740 an die kurmainzer Hofkammer weiter und nahm in einem Begleitschreiben dazu folgende, gutachtliche Stellung:
"Weil aber dieser Untertanen geziemendes alleruntertänigses Begehren und Bitten, von solcher Wichtigkeit, woran deren zeitliches und ewiges Heil, ja deren Seelen Seligkeit abhanget, so berichte er gehorsamst und pflichtmäßig, daß alles, was dieselben in ihrem unterwürfigsten Memorial angeben, die pure lautere Wahrheit sei."
Zur Charakterisierung der wirtschaftlichen Notlage erwähnte der Amtsverweser ein in der Nachbarschaft umgehendes und gebräuchliches Sprichwort über Unter-Schönmattenwag:
"Unter-Schönmattenwag ist derjenige Ort in der Welt, wo man nit gern betten (= sein Bett aufschlagen, also auf die Dauer wohnen) tut, weil dort so stark und lauter katholische, aber übel fundierte Christen sind!"
Über fünf Jahre wartete man in Unter-Schönmattenwag vergebens auf eine Antwort. Am 16. August 1745 entschloß man sich zu einem neuen Bittschreiben an die kurfürstliche Hofkammer nach Mainz. Darin versuchte die Gemeinde, ihren Anspruch auf einen eigenen Pfarrer geschichtlich zu begründen. Diese Begründung entsprach nicht in allem dem tatsächlichen Vorgang. Die Gemeinde konnte es nicht besser wissen und war der Ansicht, daß, weil durch Einführung der Reformation das Filialverhältnis zu Heddesbach unterbrochen worden war, sie damals im Einverständnis des Wormser Vikariates dem Kloster in Hirschhorn einverleibt worden seien. Seitdem hätte das Kloster alle Einkünfte des Plebanus (Pfarrherrn) bezogen. Die Kirche aber wäre ganz verfallen, wenn die Gemeinde nicht vor etlichen Jahren mit großem eigenen Kostenaufwand die Reparaturen daran durchgeführt hätte. Aber auch gottesdienstlich würden sie schlecht versorgt. Die Gemeinde sei auf über 70 Hausgesäße, also auf 600 Seelen angewachsen, worunter sich über 300 Kommunikanten befänden. - Dann wird die Weite des Weges zur nächsten katholischen Kirche geschildert.
Da im Ort alleArbeiten mit Ochsen ausgeführt würden, sei es unmöglich, alte Leute zur Kirche zu fahren. Täglich nähme die Jugend zu. Wegen Unfähigkeit des Schulmeisters sei sie recht verwildert und wüßte wenig oder gar nichts von ihrem Christentum. Daraus kommt ihre Bitte, ihre Kirche wieder vom Kloster in Hirschhorn zu excorporieren und mit einem eigenen Clerico Saeculario (Weltgeistlichen) zu versehen, der bei ihnen wohne. Sie erbieten sich, ein Pfarrhaus auf ihre Kosten zu bauen und auch dem Schulmeister eine seiner Funktion entsprechende Subsistenz zu verschaffen. Die Gemeinde endete ihr Schreiben mit den beschwörenden Worten: "Gott der Vergelter" alles Guten wird Eure Hochwürden, Gnaden, Excellenz, Excellenz und hochgebietende Herren wegen Beförderung eines so heilsamen, der Seelen Heil und Seligkeit allein zum Zweck habenden Werks mit seinem reichen Segen überschütten. . .
(Unterschriften:)
Johannes Walter, Schultheiß
Christian Falter, Gerichtsbürgermeister
Nickel Sältzer, Peter Dörsam, Niclaus Sorthel, des Gerichts
Georg Ballmann, Gemeindsbürgermeister
Kurmainz ging endlich darauf ein und sandte das Schreiben an den Amtsverweser nach Hirschhorn zur Überprüfung der darin gemachten Angaben. So verstrich nochmals ein ganzes Jahr. Erst am 31. Dezember 1746 wurde der Burggraf zu Starkenburg und Keller zu Hirschhorn beauftragt, innerhalb von 8 Tagen zu berichten, aus welchen Mitteln der Pfarrer und Schulmeister von der Gemeinde unterhalten werden könnte. Darauf stellte die Gemeinde zwei Spezifikationen auf, eine erste, wie es seither war, und eine zweite, wie es werden sollte, wenn der Pfarrer im Ort wohnen werde.
...Die Pfarrbesoldung sollte also bestehen aus etwa 205 Gulden. Nach dem Memoriale von 1740 wollte die Gemeinde aus eigenen Mitteln jährlich 20 Gulden zusteuern. Die kurfürstliche Kammer war gebeten worden, jährlich 50 Gulden und 1 Fuder Eschelbacher Wein beizutragen. Weiter hatte die Gemeinde gebeten, etwa 100 abständige Bäume fällen und verkaufen zu, dürfen. In diesem Falle wäre sie bereit, auf ihre Kosten ein neues Pfarrhaus zu bauen. Wir wissen nicht, ob die kurfürstliche Kammer auf alle diese Vorschläge einging; die Gemeinde bekam ihren eigenen Pfarrer. Im Jahr 1748 zog Pfarrer Johann Michael Krug als erster Weltgeistlicher in Unter-Schönmattenwag ein.
Es muß die Carmeliter gewaltig gewurmt haben, daß sie auf die anscheinend trotz äller dörflicher Armut doch recht ergiebige Pfarrei Unter-Schönmattenwag Verzicht leisten mußten. 1748 war der von der Gemeinde so sehnlichst erwartete eigene Pfarrer eingezogen; 1750 begann das Kloster, dessen Besoldungsrechte anzutasten. Hatte Pfarrer Krug 1749 noch den ganzen kleinen Zehnten und den Blutzehnten - nach der Boldungsaufstellung handelte es sich um einen Wert in Höhe von rund 25 Gulden - ruhig einziehen können, so hatten 1750 die Carmeliter beim bischöflichen Consistorium in Worms deswegen einen Prozeß angezettelt und diesen so überraschend schnell gewonnen, daß die Gemeinde nicht rechtzeitig appellieren konnte. Ja, das Kloster hatte erreicht, daß dem Amtskeller in Hirschhorn, Serrarius; bereits aufgegeben war, durch Zwangsmittel die Befolgung des Rechtsspruches durchzusetzen. Der Gemeinde blieb nur ein Mittel, Beschwerde beim Kurfürsten unmittelbar einzureichen. Dies geschah am 12. Oktober1750:
"Der Zehent ist den Carmelitern erst im Jahre 1636 von Kurfürst Anselm Casimir
als Patron und Landesherrn nur, solange es ihrer kurfürstlichen Gnade beliebe,
übergeben worden wegen Administrierung dieser Pfarrei. Die Carineliter
haben diesen Zehnten genossen bis zur Ernennung des jetzigen Pfarrherrn. Vorher
und ehe das ganze Hirschhorner Lehen wieder
zurückgefallen war, hatten die Herren von Hirschhorn 2 Drittel an diesem
kleinen und Blutzehnten, ein damaliger Pfarrer oder Kaplan nur 1 Drittel zu
genießen. Als aber diese Pfarrei der katholischen Kirche wieder incorporiert wurde, hat Kurfürst Anselm Casimir die ihm als
Landesherrn zukommenden 2 Drittel mit dazu gestiftet. Wie wollen die Herrn
Patres vorgeben, es sei dieser kleine Zehnte ein Annexum
(Anhängsel) ihrer 2 Drittel vom großen Zehnten, der ihnen von den Herren von
Hirschhorn - wie sie vorgeben, aber nicht erweisen können - für Haltung der
Zehnuhr-Messe (in der Schloß-Kapelle zu Hirschhorn)
geschenkt worden sei, deren sie aber in 20 Jahren keine gehalten hätten? ... Sie
müssen sich gefallen lassen, ihrer Habsucht die gebührenden Grenzen zu setzen
und dem jetzigen Herrn Pfarrer, welcher ansonsten unmöglich subsistieren
könne, solchen überlassen. Ansonsten unser Kirchenwesen und Gottesdienst, wann
wir unseren Pfarrer durch Benehmen seiner Subsistenz
verlieren sollten, wieder in vorige Zerrüttung geraten und viele Seelen zugrund
gehen dürften. . ."
Nur auf Bitten des
Gerichtsbürgermeisters Christian Falter und des Gemeindebürgermeisters Leonhard
Böhm gelang es, beim Amtskeller in Hirschhorn Johann
Heinrich Serrarius am 21. Oktober 1750 die verhängte
Exekution solange zu verschieben, bis das Gesuch der Gemeinde von der
kurfürstlichen Kammer entschieden worden sei. Deshalb waren zwei Deputierte der
Gemeinde an den Hof nach Aschaffenburg gesandt worden.
Aber noch bevor dieser Rechtsstreit beendigt werden konnte, gingen die Carmeliter erneut zum Angriff vor. Sie meldeten am 26. Oktober 1750, daß der neue Pfarrer von Unter-Schönmattenwag samt der Gemeinde ihnen einen Acker und eine Wiese, welche sie seit "ohnfürdenklichen" Jahren in ruhiger Possession gehabt hätten, unter dem Vorwand entzogen hätten, solche Güter gehörten zum Kaplanei- oder Pfarrgut. Die Gemeinde stellt nicht in Abrede, daß die Carmeliter den Acker und die Wiese von 1636 bis 1748 in Besitz gehabt haben, solange die Versehung der Pfarrei ihnen übertragen gewesen war. Nun aber stehe dem eigenen Pfarrer die Nutzung zu und sei ihm auf Befehl des Kurfürsten als Competentiae loco das vormalige Kaplaneigut samt dem ganzen kleinen und Blutzehnten übertragen worden. Die Gemeinde beweist durch einen Eintrag im Sal- und Lagerbuch Hirschhorn, daß damals bereits das Kaplaneigut bestanden hat.
Die Gemeinde muß mit ihrer nach Aschaffenburg geschickten Deputation Pech gehabt haben, denn am 23. November 1750 befahl der Amtskeller allen Ernstes, innerhalb zweimal 24 Stunden das Carmeliterkloster zu befriedigen oder es erfolge die wirkliche abermalige Exekution. Darauf schickte die Gemeinde sofort drei Deputierte zum Kloster nach Hirschhorn. Sie sollten dort um Frist bitten, bis die nun nach Mainz geschickten Gemeindedeputierten zurückgekommen seien. Das Kloster gewährte eine Frist bis zu Mariae Empfängnis (8. Dezember). Doch die Deputierten waren bis zu diesem Termin noch nicht zurückgekehrt. Darauf teilte die Gemeinde dem Amtskeller mit, daß sie noch nicht zahlen könnte. So wurde ihr am 10. Dezember die Exekution zugeschickt.
Erst am 17. Dezember kamen die beiden nach Mainz gesandten Christian Falter und Sebastian Beutel zurück. Alle Zusagen, die die Mainzer Hofkammer den beiden gegeben hatte, waren wohl mit Absicht wachsweich gehalten worden. Somit hatte sich die Hofkammer freie Hand behalten.
Der Schultheiß und die meisten des Gerichts waren gutwillig und bereit, die Zahlungen an die Carmeliter einzusammeln. Sie wurden aber von Widerspenstigen daran gehindert.
In diesem Augenblick der höchsten rechtlichen Not, am 18. Dezember 1750, richteten der Pfarrer und sämtliche Gemeindeleute an den Kurfürsten nach Mainz ein Schreiben. Es beginnt mit den Worten: "Wegen größter Gefahr bei 'Verzögerung." Darin wird aufgezählt, wie die Carmeliter, die "wann man die Wahrheit melden darf, sehr kaltblütig die Pfarrei in Schönmattenwag verwahrt haben", nach und nach die Gemeinde geschädigt haben. Aber auch dieses Schreiben nutzte nichts.
Am 2. September 1751 wurde den Carmelitern auf Regierungsbefehl wieder in ihren vorigen Besitz des für die Pfarrkompetenz eingezogenen Ackers und Wiesen eingesetzt.
Am gleichen Tag beklagt sich Pfarrer Krug, daß der Amtsverweser Serrarius ihn vom Kaplaneigut exmittiert und diese dem Carmeliterkloster überlassen habe. Nun habe er nicht einmal 80 Gulden Gehalt bei 400 Seelen. Es blieb ihm kein anderes Mittel, als die Pfarrkinder zu verlassen oder sich nach einer anderen Gemeinde umzusehen. Aber noch harrte er 1 1/2 Jahre aus. Am 7. Mai 1753 mußte er resignieren. Als Gründe gab er an: Baufälligkeit und hohes Alter.
Jedoch waren die Gründe seines Weggehens andere. Er rnußte dem Druck der Carmeliter weichen, die mit allen Mitteln bestrebt waren, wieder in den Besitz der Pfarrei zu kommen.
Noch drei Monate vor seinem Weggehen hatte der Pfarrer dem Mainzer Kurfürsten als Landesherren und Patron der erst vor wenigen Jahren gegründeten Pfarrei um Erhöhung seiner ausgeworfenen Competenz gebeten, da die Carmeliter im Besitz des zu dieser Competenz gehörenden 2/3 kleinen Zehnten waren und allen Zureden von seiten des erzbischöflichen Vikariats darauf nicht verzichteten. Aber auch die Carmeliter hatten sich zwar am 21. April 1753 an den Erzbischof und Kurfürsten nach Mainz gewandt und ihm die Lage geschildert, wie sie diese sahen.
"Vor unvordenklichen Zeiten und mehr denn 200 Jahren hätten sie sich mit äußerstem Fleiß ohne Zumutung eines anderen Welt- oder Klostergeistlichen beeifert, Hirschhorn und Schönmattenwag zur katholischen Wahrheit wiederum zu bringen, da beide Orte mit dem Luthertum durchaus verwirrt gewesen seien. Mit der Hülfe Gottes hätten sie es auch nach und nach soweit gebracht, daß dermalen gottlob keine lutherische Seele mehr zu Hirschorn und Unter-Schönmattenwag sich aufhalte.
Unentgeltlich hätten sie in Schönmattenwag die Seelsorge alle die Jahre hindurch versehen und unter schweren eigenen Kosten die in lutherischen Händen gewesenen, zu der Pfarrei und Kaplanei gehörenden, geringen Renten beigetrieben. Endlich habe, als das Volk mehr und mehr angewachsen sei, Kurfürst Johann Philipp ihnen ein Drittel des großen und kleinen Zehnten in Schönmattenwag zugelegt, den zuvor die kurfürstliche Hofkammer eingezogen hatte.
So verblieb es lange Jahre, und in Schönmattenwag wurden alle 14 Tage Gottesdienst nebst Seelsorge gehalten, bis vor etwa 8 Jahren, um auf alle Sonn- und Feiertage Gottesdienst zu bekommen, für jedes Haus 30 Kreuzer, für jeden Beisaß 20 Kreuzer jährlich versprochen wurden, aber bis dahin nicht bezahlt worden sind. Darauf habe die Gemeinde Schönmattenwag unter allerhand dem Kloster nachteiligen Vorstellungen (der ganze Zehnte gehöre zu den Pfarreigefällen) um einen Clericum pro Parocho gebeten. Dadurch war das Kloster genötigt, seine zwei Drittel großen und kleinen Zehnten, auch seine dort befindlichen Wiesen, Aecker und Renten als klösterliche Fundationsstücke bei dem bischöflichen Ordinariat in prima Instantia salvieren zu lassen.
Das Kloster läßt sich deshalb auf keinen Vergleich ein, fühlt sich in seinem Gewissen schuldig, den ihm von der Gemeinde durch den Prozeß verursachten Schaden in Höhe von 1000 Gulden von dieser ersetzt zu bekommen."
Es scheint, daß die Carmeliter mit dieser Darstellung der Sachlage, in der sie ihre Verdienste ins rechte Licht zu rücken verstanden hatten, bei der kurfürstlichen Landesregierung Erfolg gehabt haben, den Pfarrer Krug verläßt die Gemeinde und kehrt in seinen Geburtsort Bischofsheim zurück. Dort verbringt er die letzten Jahre seines Lebens. Das heutige Rittersche Anwesen zwischen Bäckerei Beutel und dem gegenwärtigen Pfarrhaus war der erste Wohnsitz des hiesigen Pfarrers; Stuckarbeiten an der Decke zeugen noch von dieser Vergangenheit. Als sich dieses Haus als nicht mehr geeignet erwiesen hatte, wurde 1863 das heutige Pfarrhaus für 4971 Gulden erbaut.
Am 12. September 1753 wird die Pfarrei in Gegenwart des Priors der Carmeliter, Pater Amantius, und des Procurators Pater Augustinus, des kurfürstlichen Beamten Serrarius, des Schultheißen und Gerichts und 36 Bürgern mit den folgenden Worten wieder dem Carmeliterkloster, zu Hirschhorn angeschlossen.
"Die durch Abgang des Pfarrers Krug ledig gewordene Pfarrei zu Schönmattenwag wird dem Kloster in Hirschhorn übergeben, durch einen ihrer Patrum fernerhin und zu ewigen Zeiten im Ort wohnend versehen. Deshalb wird der Fundation einiges Augmentum (Vermehrung) zugelegt:
1. Das Kloster verspricht, durch einen ständig im Ort wohnenden Geistlichen die Pfarrei bestmöglichst und allezeit versehen zu lassen.
2. Die Gemeinde verspricht, dem Kloster und dessem Patri als Pfarrer getreulich zu reichen, was vorher dazu gehörte, als:
3. Vom großen und kleinen Zehnten daselbst ein Drittel, welches einem zeitlichen Pfarrer allda zur besseren Subsistenz allschon gnädigst zugelegt worden.
4. Das kleine Pfarrgütlein bestehend in etwas Acker und Wiese.
Bis dahin hatte die Gemeinde geschwiegen. Aber nun, beim 5. Punkt, horchte sie auf.
5. Die Gemeinde will behilflich sein, die zu diesem Pfarrgütlein vielleicht gehörenden und verlorenen Stücke der Pfarrei wieder beizubringen; wozu sich das Kloster offeriert, Fundamente, Dokumente und Proben anhanden zu geben.
Bei diesen Worten ging ein Raunen durch die Reihe der Zuhörer. Sollte das Kloster wirkliche, echte Dokumente in seinen Händen haben, nach denen andere, bisher nach gutem Glauben in Privatbesitz befindliche Äcker einst dem Pfarrgut gehört haben? Die Gemeinde verlangte vor ihrer Zustimmung zu diesem Punkt des Vergleiches Einsicht in diese Dokumente. Doch der Vorleser ging zum nächsten Punkt über.
6. Da bei der Pfarrei de facto kein Pfarrhaus befindlich, offeriert das Kloster dem Patri als Pfarrern in seinem Hofwohnhaus den oberen Stock zur Wohnung einzugeben, solange die Pfarrei vom Kloster versehen wird, desgleichen einen Küchengarten hinter dem Haus; wogegen die Gemeinde alljährlich dem Kloster einen Hauszins von 10 Gulden zu zahlen verspricht.
Gegen diesen Punkt begehrte die Gemeinde auf. Doch bevor ihr das Wort zuerteilt worden war, begann schon die Verlesung des 7. und 8. Punktes.
7. Weil in dem Haus kein Schweinestall befindlich, verspricht die Gemeinde einen solchen mit zwei Abteilungen in des Klosters Grund und Boden auf ihre Kosten erbauen zu lassen.
8. Wann das Wohnhaus mit der Zeit wird veralten, so verspricht die Gemeinde, zu dessen Reparierung oder Erbauung das nötige Bauholz herzugeben auf die gleiche Art, wie sie solches einem anderen Bürger aus ihnen zu geben pflegt.
Die Entrüstung der Gemeinde war unterdessen auf ihren Höhepunkt gestiegen. Wie konnte das Kloster solches verlangen, wo doch von der Gemeinde auf kurfürstlichen Befehl vor wenigen Jahren ein neues Pfarrhaus mit großen Kosten erbaut worden war mit Scheuer, Stallungen und allen Bequemlichkeiten?
9. Die Gemeinde wird 8 Klafter Holz anschaffen, machen und unentgeltlich ins Pfarrhaus führen.
Dies hatte seine Richtigkeit und wurde stillschweigend angenommen.
10. Des Pfarrers Kühe und Schweine sollen fronfrei auf die Weide geführt werden, und, wenn es geeckerigt hat (bei guter Bucheckerernte), seine zwei oder drei Schweine frei und unentgeltlich miteingeschlagen werden.
Die Gemeinde lehnte ab, des Pfarrers Kühe und Rinder hüten zu lassen; weil sie außerstand sei, einen gemeinen Kuhhirten halten zu können. Die zwei oder drei Schweine des Pfarrers aber würden schon seither, wenn es Buchel- oder Eichelmastung gab, unentgeltlich geführt. .
11. Weil die Fruchteinkünfte zu gering und nicht hinlänglich, offeriert die Gemeinde alljährlich Hackwald-, wie ein jeder Bürger bekommt und in der besten Lage.
12. Die Gemeinde nimmt den Patrem als Pfarrer und dessen Nachömmling zum völligen Mitgenießer aller Privilegien, Nutzungen und Rechte, wie ein jeder Bürger aus ihnen jetzt und allzeit zu genießen hat, sei es Almentholz oder andere gemeine Nutzungen.
In beiden Punkten gestand die Gemeinde nicht mehr zu, als sie imstand sei und ihre Waldung es ertragen könnte.
13. Weil die Gemeinde nach ihrer jetzigen Constitution nichts mehr zur Augmentation (Vermehrung) der Pfarrgefälle beitragen könne und sie diese als viel zu gering erkannt hat, verspricht sie, mit allein möglichsten Fleiß von Ihrer Kurfürstlichen Gnaden noch eine etwaige Addition zu erbitten: als eine Portion Hackwald und - weil kein Tropfen Wein bei der Pfarrbesoldung - etwa ein Fuder zu Eschelbach, welches sie dann verspricht, umsonst zu holen und ins Pfarrhaus zu führen.
Die Gemeinde betonte hierzu, daß das Fuder Wein vom Kurfürst bereits der Pfarrbesoldung zugelegt und es seit drei Jahren vom Keller auf ihre Kosten aus Eschelbach herbeigefahren worden sei. Ein weiterer Morgen Hackwald aber wäre vom Kurfürsten abgeschlagen worden. (Die Ablehnung einer Portion Hackwaldung war am 5. September 1754 von der Mainzer Hofkammer ausgesprochen worden: "Es sei nicht ratsam, dem Priorn und Convent des Carmeliterklosters den Weg in die herrschaftlichen Waldungen zu öffnen)"
Gegen diesen Vergleich wagten Schultheiß und Gericht, die in besonders abhängiger Stellung waren, keinen Widerspruch. Sie waren angeblich damit zufrieden. Doch unter den 36 zuhörenden Bürgern hatten mehrere "gegen alle Vernunft, ihrer Kinder und Kindeskinder Besten und ihrer eigenen Seelen Heil leider Gottes dagegen geredet und die gütigen Vorstellungen nicht annehmen wollen". Schließlich wurde abgestimmt. Jeder Anwesende, Mann für Mann, wurde vernommen. Einer nach dem andern wurde dabei in seiner Haltung schwankend. Nur Christian Falter war "contradicens" geblieben. Ihm wurde darauf alle Schuld zugeschoben. Trotz allem aber erhielt der Vergleich keine Rechtsgültigkeit, da er ununterschrieben blieb. Dies erfahren wir allerdings erst aus einem sechs. Jahre später geschehenen, eigentümlichen Vorfall:
Am 7. Mai 1759 nämlich bat der Convent der Carmeliter die Amtskellerei in Hirschhorn um eine Abschrift des 1753 angefertigten Vergleichsprotokolles, "da die Gemeinde Schönmattenwag die so heilig, festbündig und unwiderruflich stipulierten Bedingungen in einem und anderen Punkten widerechtlich zu contravertieren (ins Gegenteil zu verkehren) scheine". Um die gleiche Zeit verlangte auch die Mainzer "Hofkammer eine Abschrift des Vergleiches von ihrem Beamten in Hirschhorn. Die Antwort des Amtskellers Johann Henrich Serrarius nach Mainz am 22. Mai 1795 fiel sehr merkwürdig aus. Das Originalprotokoll war nämlich verschwunden! Vor 6 Jahren, als der Vergleich abgeschlossen wurde, hatten Prior Amantius und Pater Procurator Augustinus um kurzfristige Überlassung des Schriftstückes gebeten. Die Rückgabe aber war trotz mehrfacher Aufforderung bisher unterblieben. Schließlich erhielt der Amtskeller vor 1 1/2 Jahren vom Pater Procurator eine Copia darüber. Deshalb konnte er der Mainzer Hofkammer nur eine Copie Copias (Abschrift einer Abschrift) schicken. Bei dieser Gelegenheit teilte Serrarius der Hofkammer weiter mit, daß das 0riginal 1753 weder von ihm, noch von den Carmelitern, noch weniger vom Schultheiß und Gericht zu Unter-Schönmattenwag eigenhändig unterschrieben, noch authentisch ausgefertigt worden war.
Der Abbruch der alten
Kirche
Seit der Rückkehr der Carmeliter und dem
eigenartigen, erzwungenen und letztlich doch rechtsungültigen Vergleich
zwischen ihnen und der Gemeinde im Jahre 1753 sind 15 Jahre verflossen.
Die alte und spätere Pfarrkirche war so baufällig
geworden, daß ein Neubau notwendig erschien. Näheres darüber steht im
Hirschhorner Amtsbericht vom 8. Juli 1768. Nach ihm hat die Gemeinde die
Absicht, zur Auferbauung ihrer allzu engen und ruinösen Kirche mitzuhelfen.
Der
"Gipfel" (Giebel) sei schon um ein Schuh ausgewichen, da "das
Gehölz" (Dachstuhl) von Fäulnis ergriffen sei. Der Regen dringe ein, so
daß die Orgel mit Stroh abgedeckt werden mußte. Wenn man sich nicht zu einem
Kirchen-Neubau entschließen wolle, so müsse zumindest der Dachstuhl vollkommen
erneuert werden, was allein schon einige hundert Gulden kosten werde. Die arme
Gemeinde bat deshalb den Herrn Hofrat Heuser von der kurfürstlich-mainzischen
Landesregierung um ein Sammlungspatent.
Die Landesregierung verlangte daraufhin die
Feststellung der Zehntverhältnisse und des Onus fabricae (kirchl. Baupflicht),
außerdem die Anfertigung eines Idealrisses und Überschlages zu einem Neubau.
Mit letzterem beauftragte die Gemeinde den Hirschhorner Maurermeister Anton
Rappoldt, der wohl auch der Zeichner des Idealrisses war. Zu hohe Kosten
verhinderten jedoch den Bau dieser Kirche. Daraufhin regte der Schultheiß und
die Gemeinde an, kein vollkommen neues Gebäude zu errichten, sondern die
Fundamente des alten zu benutzen und das alte Langhaus nur nach Westen zu
erweitern. Hierbei könnten Chor und Turm weiter benützt werden, so daß
mindestens ein Drittel der Baukosten gespart würden. Dieser Vorschlag aber
wurde schließlich wieder verworfen, da man schädliche Risse zwischen dem alten
und dem neuen Bauteil befürchtete und glaubte, daß durch die Verlängerung des
Schiffes eine unangenehme Disproportion des Baukörpers entstehen werde.
Drei Jahre später versuchte die Gemeinde durch ein
Bittschreiben den so dringenden Kirchen-Neubau der Verwirklichung
näherzubringen. Sie bat am 3. März 1771 die Landesregierung, ihr ein "dem
Abgang drohendes" Waldstück zuzuweisen, um aus dessen Abholzung die Mittel
zur Erbauung ihres neuen Langhauses zu gewinnen.
Mit dem Schreiben wurde zwei Überschläge vorgelegt, beide von dem oben bereits erwähnten Hirschhorner Maurermeister Anton Rappoldt verfertigt.
Ein Überschlag A mit 1511 Gulden: das alte Langhaus, das 50 Schuh lang und 36 Schuh breit ist, bis auf 10 Schuh abzubrechen und 19 Schuh aufzumauern mit 8 neuen Fenstern, zwei neuen Türgestellen und zwei Ecken am Giebel aus gehauenen Steinen.
Ein Überschlag B
für 1767 Gulden: Errichtung eines neuen Langhauses von 66 Schuh Länge und 44
Schuh Breite. Diese Bittschrift mit ihren beiden Vorschlägen blieb ohne Folgen.
Vor jeder Entscheidung mußte erst die schwierige Frage, wer am Gesamtbau und an
dessen Teilen baupflichtig sei, gelöst sein.
Die größten Schwierigkeiten in dieser Hinsicht kamen
aus der unnachgiebigen Haltung der Carmeliter. Sie wollten weder etwas von
einer Verpflichtung zur Erhaltung noch zur künftigen Auferbauung des
Kirchenchors und.des damit verbundenen Kirchturmes wissen und keinerlei Beitrag
aus ihren pfarrei- und Zehneinkünften in Schönmattenwag dazu leisten.
Die Gemeinde aber wollte dieses Recht nicht anerkennen.
Not und Armut zwangen sie dazu und die Tatsache, daß in allen anderen Orten der
Umgebung es in der Regel war, daß der Zehntherr die Baupflicht zumindest am
Chor der Kirche zu übernehmen hatte.
Im Jahre 1775 erteilte der Schultheiß und das Gericht von
Unter-Schönmattenwag dem hochstiftlich-wormsischen Baumeister Georg Günther aus
Neuhausen den Auftrag einen schönen Riss. Am 12. September 1775 wurde der
endgültige Akkord darüber abgeschlossen. Da begehrten einige Gemeindemitglieder
gegen den Kirchenbau auf. Grund war ihre Angst, daß jedes Gemeindemitglied
dadurch allzuschwer finanziell belastet werden würde. Um den Neubau unmöglich
zu machen, beschritten sie den unglücklichsten Weg, den der
Frondienstverweigerung bei den beginnenen Abbruchsarbeiten an der alten Kirche.
Die Rädelsführer waren Johann Georg Ballmann, Johann Adam Sauer und Leonhard
Tröster. In Anwesenheit des Hirschhorner Amtskellers Deßloch und des
Amtsaktuarius und Hirschhorner Stadtschreibers Conrad Schalk wurde daraufhin
am 28. März 1775 die Gemeinde wegen ihrer Widerspenstigkeit verwarnt und die
drei Anführer dazu verurteilt, in der sie treffenden Frondienstordnung zwei
Tage, also doppelt zu fronden. Dagegen reichte Johann Georg Ballmann (proprio
nomine, auch namens der Gemeinde) am 5. April 1775 eine Beschwerde ein:
Der Amtskeller Deßloch will sogleich nach dem Osterfest das Langhaus der Kirche bis auf den Grund niederreißen und neu aufbauen, ohne daß er von der Gemeinde hierüber die Einwilligung oder was dagegen Erhebliches einzuwenden verlangt habe. Die Gemeinde gebe eine Renovation der Kirche zu, sei aber nicht gewillt, einen Neubau aufrichten zu lassen, denn
1. die Kirche stehe in ihren Gemäuern noch wohl da, wie der vorherige Amtskeller Geiger bei einer Besichtigung erkannt hat;3. wegen der vergangenen schwererlittenen Mißjahre habe der gemeine Mann sich noch nicht erholt.
Diese Beschwerde wurde von der
kurfürstlich-mainzischen Landesregierung ernst genommen. Sie wünschte vom
Amtskeller Deßloch das Einholen mehrerer Gutachten. .
Eines lieferte der in der Beschwerde zitierte ehemalige
Hirschhorner, spätere Bensheimer Keller Geiger. Er schrieb am 10. April 1775
aus Bensheim, daß er anläßlich eines Gerichtstages Ende 1767 die Kirche
besichtigt habe. Damals hätte die Mehrzahl der Gerichtspersonen wegen der auf
der Gemeinde lastenden Kriegsschulden das kostspielige Werk verschoben haben
wollen. Über den wirklichen baulichen Zustand aber müßten unparteiische
Sachverständige urteilen. - Das wichtigste, weil ausführlichste Gutachten über
die 1436 als Kapelle erbaute spätere Pfarrkirche in Unter-Schönmattenwag
lieferten der Heidelberger Stadtbaumeister Johann Adam Heller und der ebenfalls
Heidelberger geschworene MaurermeisterMatthias Morath. Es wurde von ihnen
anläßlich ihres Besuches am 12. April 1775 ausgefertigt und besitzt folgenden
Inhalt (im Auszug): .
1: Das ganze Langhaus ist nur 43 1/2 Schuh lang, 29
1/2 Schuh breit, 18 1/4 Schuh hoch bis unter das Hauptgebälk, nur 4 kleine
Kirchenfenstter sind vorhanden, jedes ad 2 Schuh breit und 6 1/2 Schuh hoch,
sehr ruinös, daß daran keine Reparation mit Nutzen anzubringen sei.
2. Vom Kirchhof in die
Kirch ist ein Unterschied von 4 Schuh Tiefe, dadurch Feuchtigkeit; dazu die
kleinen Fenster, deshalb im Innern sehr dunkel, besonders unter der sehr faulen
Bordkirche.
3. Das ganze
Hauptgebälk samt Gefacher ist teils ganz verfault, daß die Gefacher samt dem
Gestick heraus gefault und heruntergefallen sind, andernteils aber sind die
Schwellen, liegenden Pfosten samt Bundbalken mit Feilungen (Fäulnis) angesteckt,
deshalb sei keine Reparatur mehr von Nutzen.
4. Der Turm hat bis
über das Kirchendach vierkantiges Mauerwerk und ist in gutem Stand. Das übrige
Stockwerk oder Glockenhaus ist von Riegelholz (also in Fachwerk!) achteckig
und daran sind gegen den Wetterschlag die Pfosten, Schwellen und Riegel mit
Feilungen (Fäulnis) angesteckt. Das Dachwerk darüber ist sehr schlecht und nur
mit Hohlziegel gedeckt, so daß bei jedem großen Wind die Ziegel samt dem Speis
herunterfallen auf das Kirchendach und deshalb die Kirche nie ohne Beschädigung
erhalten werden kann wegen des eindringenden Regenwassers.
5. Die Sakristei ist
angebaut, ist nicht mit dem alten Gemäuer verbunden und von diesem abgewichen;
ein klaffender Sprung ist dazwischen von 1/4 Zoll. Sie steckt bis an die
ruinösen Fenster im Boden. Paramente können wegen der Feuchtigkeit nicht darin
aufbewahrt werden.
Der Neubau der
Pfarrkirche
Für den Neubau der Pfarrkirche hatte man ja den
wormsischen Baumeister Georg Günther gewinnen können und nun sollte am ersten
Tag nach Ostern 1775 mit dem Abriß der alten Kirche begonnen werden. Die
Arbeiten wurden auch zu diesem Termin begonnen, aber die Anfuhr des
Baumaterials für den Neubau sowie die Abbrucharbeiten wurden von einigen
Ortseinwohnern sabotiert. Diese wollten zuerst die Kostenfrage geklärt wissen
sowie ob die Carmeliter die Kosten für den Chor übernehmen würden. Diese Fragen
wurden jedoch nicht geklärt und mit den Arbeiten begonnen. Durch die Sabotage
zogen sich die Arbeiten derart in die Länge, daß der Baumeister Günther den
Kirchenbau verließ.
Am 20.
September, 1776 schrieben Schultheiß und Gericht an die kurfürstliche Landesregierung
nach Mainz, daß der Baumeister Georg Günther nun wirklich den Kirchenbau
verlassen habe, obwohl er 304 Gulden mehr erhalten habe, als der Akkord es
verlangte. Deshalb müßten sie in der äußersten Kälte des künftigen Winters auf
Sonn- und Feiertagen mit Hintenansetzung ihrer Gesundheit den Gottesdienst
anhören. Die hohe Landesregierung möge doch den Baumeister Günther auf das
schärfste anhalten, die zuviel erhaltenen 304 Gulden zurückzuzahlen, ohne
einigen Vorschub mit dem Kirchenbau fortzufahren und wenigstens 10 Gesellen
hierzu anzustellen.
Die
Weigerung Günthers lag schon einige Wochen zurück. Nach einem Amtsprotokoll
vom 8. Juli 1776 in Unter-Schönmattenwag hatte sich Günther beschwert, daß er
seine akkordmäßige Zahlung nicht erhalten könne und daher den Bau verlassen
müsse. Die kurfürstliche Landesregierung in Mainz konnte gegen Günther nicht
direkt vorgehen, weil er in Neuhausen bei Worms wohnte und hochstiftlich wormsischer
Baumeister, also ein Ausländer war. Sie mußte erst in Worms vorstellig werden.
Daraufhin wurde Günther vom Amt Neuhausen zur Vernehmung vorgeladen.
Bei der Vernehmung in Neuhausen am 18. Oktober 1776 legte Günther eine schriftliche Erklärung vor. Es seien von ihm über den Akkord hinaus durch Abänderung desselben und durch darin nicht angegebene Arbeiten größere Leistungen in "gleichsam gewalttätiger Weise" verlangt worden. Für diese sei er bis zur Stunde noch nicht im mindesten schadlos gehalten worden. Um seine Frau und Kinder nicht ganz 'zu ruinieren, hätte er vom Bau abstehen müssen. Keineswegs habe er frivol gehandelt. Zur Klärung der ganzen Situation schlug Günther die Besichtigung der geleisteten Bauarbeiten durch unparteiische Werkmeister vor.
Auf die Beschwerde der Gemeinde vom 20. September 1776, auf die Vernehmung und schriftliche Erklärung Günthers vom 18. Oktober 1776 erfolgte nicht die Besichtigung des halbfertigen Baues durch unparteiische Sachverständige - nur so hätte der Rechtsstreit schnell und gerecht für beide Teile beendet werden können. Man ließ viele Monate verstreichen. Der Winter 1776/1777 ging über das Land und der Frühsommer 1777 war schon zu Ende, da wollte die Gemeinde nicht länger zuwarten. Sie wurde erneut vorstellig beim Amt in Hirschhorn. Darüber berichtet ein Amtsprotokoll vom 7. Juli 1777: "Günther ist nun schon über ein Jahr akkordbrüchig und weigert sich, die noch fehlenden Materialien, wie Blei, Eisen, Glas und Leyen beizuschaffen." - Es fehlten damals also der Kirche noch die Fensterverglasung und die Eindeckung des Chordaches, da dieses in Leyen (Schiefer) vorgesehen war. - Die Gemeinde wehrt sich in diesem Protokoll gegen Günthers Behauptung, daß er mehr, als der Riß angebe, hätte anfertigen müssen. Vielmehr habe er an manchen Stellen anders als akkordmäßig gebaut und dadurch Geld gespart. Er habe aber nicht nur die ganze akkordierte Summe erhalten, obwohl davon 600 Gulden hätten bis zur völligen Fertigstellung stehen bleiben sollen, sondern er habe noch weitere 300 Gulden darüber aus ihnen herausgelockt. Den Riß aber habe er "weggebutzt"! Damit noch in diesem Jahr (1777) die Kirche fertiggestellt werden könne, machte die Gemeinde folgendes Anerbieten:
Die Gemeinde kauft die
noch fehlenden Materialien.
Günther hinterlegt beim
Amt in Hirschhorn eine Caution von 600 Gulden und beendet noch in diesem
Jahr die Kirche.
Anschließend unterwirft sich Günther einem unparteiischen Ausschuß von Sachverständigen.
Georg Günther ist auf
dieses Anerbieten nicht eingegangen. Vielleicht hatten sich der Hirschhorner
Amtskeller Deßloch, die kurfürstliche Landesregierung in Mainz und das Wormser
Hochstift nicht genügend um diesen Fall gekümmert, um so oder so eine
Entscheidung und eine Beendigung des Kirchenbaues herbeizuführen. Jahre ließ
man verstreichen, nicht allein zum Schaden des Baues, auch zum Schaden für den
Gemeindefrieden.
Ein Schreiben vom 30.
März 1779, vier Jahre nach dem Baubeginn der Unter-Schönmattenwager Kirch blieb unbeantwortet, obwohl in ihm mitgeteilt wurde, daß die Kirche noch immer ohne
Türen und Fenster sei, daß der gewölbte Chor ohne Dach und der ganze Bau im
elendsten Zustand sich befinde. Anders wurde es erst, als der Stadtpfarrer und
Dechant Waldhart aus Heidelberg am 16. August 1779 Schönmattenwag besuchte und
dem Wormser Vikariat meldete: "Das Venerabile sei räuberischen Händen
ausgesetzt, da die neuerbaute Kirche weder Türen noch Fenster hat, auch sei der
Regen durch das Chorgewölbe gedrungen und habe sich auf den Altar
ergossen."
Jetzt erst wurde ein Bausachverständiger geholt, der beim Weschnitzbau an der Bergstraße als Artillerie-Corporalangestellte Supp, der nach Angabe des Ingenieur Oberlieutenants H. Eickenmeyer bausachverständig war. Supp stellte fest
1. Das Dach der Kirche sei fast vollkommen gedeckt, so daß das Eindringen des Wassers von selbst aufhöre.
Nun erst nahm man sich des
verwahrlosten Baues an. Da Baumeister Georg Günther unterdessen gestorben war,
mußten neue Akkorde mit anderen Meistern geschlossen werden.
Die neuen Akkorde zur Beendigung des Kirchenbaues waren mit dem Heidelberger Maurermeister Morath (oder Morhard), dem Schreinermeister Eichelshoff und dem Leyendecker (Dachdeckermeister) Dillmann noch unter dem Amtskeller Deßloch, dem Schultheißen Becker und dem Gericht zu Schönmattenwag geschlossen worden. Bereits am 10. Mai 1781 beschweren sich die drei Meister in Hirschhorn beim kommissarischen Amtskeller Gaiger aus Bensheim. Sie hatten nämlich für ihre geleistete Arbeit noch keine oder nur eine abschlägliche Zahlung erhalten. Morhard hatte noch 870 Gulden, die ganze mit ihm verakkordierte Summe, zu bekommen, desgleichen Eichelshoff 60 Gulden. Dillmann wartete noch auf 76 Gulden.
Bei der nun vorgenommenen
amtlichen Feststellung, wer mit ihnen den Akkord geschlossen habe, ergab sich
das alte Lied: der Amtskeller Deßloch, der Schultheiß Becker, das Gericht, aber
kein Deputierter der Gemeinde. Weiter erfahren wir aus dieser Vernehmung, daß
der Baumeister Georg Günther das Kirchendach zu "weit-schweifig"
gelattet hatte und keine Schindeln unter die Ziegel hatte legen lassen. (Es war
somit ein Spließdach, dem die Spließe aber fehlten!) Deshalb drangen Regen und
Schnee ein. Zur Behebung des Baufehlers mußte das Dach umgedeckt werden.
Morhard hatte 1780 einen Kostenüberschlag dafür eingereicht über 83 Gulden,
der bisher noch nicht von der kurfürstlichen Regierung ratifiziert war.
Allgemein klagten die drei Handwerker, daß sie wenigstens drei Tage versäumen
müßten, um beim Amt in Hirschhorn ihre Zahlungsanweisungen zu erhalten, die
ihnen letztlich nichts nützten, da sie von dem Gemeindebürgermeister und den
Gemeindedeputierten nicht respektiert würden.
Wenn es demnach auch den Anschein hat, daß die weiteren den Bau abschließenden Arbeiten unter dem gleichen Unstern, nämlich der Widersetzlichkeit der Gemeinde gegenüber dem für ihre Verhältnisse zu aufwendigen Bau, stehen sollten, so handelte es sich doch nur um wirklich unumgänglich notwendige, den nun stehenden Bau gegen sofortigen Zerfall schützende Arbeiten. Dies sahen schließlich auch die Unbelehrbarsten ein
.
Nochmals hören wir über den
Kirchenbau und seine Innenausstattung in einer Aufstellung des Hirschhorner
Amtsverwesers Schiele vom 5. September 1788. In seiner kurzen Amtstätigkeit
hatte er bereits folgendes anschaffen lassen: zwei große Eichenholztüren samt
den dazugehörigen Beschlägen (die uns heute noch als besonders mächtig und
prächtig auffallen), die sämtlichen Kirchenfenster, die Bordkirche (= Empore)
mit der Orgel, die Kommunionbank, die Kirchenstühle, die steinernen
Bodenplatten und die Sakristeitür. Die Gemeindebewohner hatten nach und nach
300 Gulden gesammelt zur Anfertigung einss neuen Hochaltares. Sie hatte ihn
bereits bestellt: er war in Arbeit und sollte bis Michaelis aufgestellt werden.
Aus Kollekten, die der Gemeinde gestattet worden waren, konnten Paramente
(Meßgewänder, Alben, Chorröcke) angeschafft und beim Augsburger Silberhändler
in Frankfurt ein Ciborium (Speisekelch) für 80 Gulden und zwei Meßkelche für
je 60 Gulden bestellt werden.
Nun fehlte dem Kirchenneubau nur noch ein dichtes Dach und
eine Kanzel. Die Kosten hierfür sollten mit Genehmigung des Amtsverwesers und
der Landesregierung, durch Holzfällerarbeiten im Hundsklingen gedeckt werden.
Dort konnten wenigstens 300 Klafter Buchen-Scheitholz gefällt werden. Die
Gemeinde willigte ein.
Das Kirchendach aber wurde noch nicht umgedeckt.
Amtsverweser Schiele mußte am 17. Februar 1789 melden, daß der Decke und dem
Chorgewölbe ein Schaden bevorstehe, und man möge doch den Überschlag für den
Dachdeckermeister genehmigen. Am 10. Oktober 1789 berichtete Pfarrer Wolff vom Orden
der Carmeliter, daß wenn er am Altar stehe, schon Wasser auf ihn und auf das
Korporale getropft sei.
Die oben am Chorgewölbe angebrachten Gemälde seien schon
ganz verunstaltet und begännen, sich plattenweise aufzulösen und
herunterzufallen. Dadurch bestünde auch für den neuen Hochaltar höchste Gefahr.
Das zuständige Wormser Vikariat leitete diesen Bericht nach Mainz weiter. Wir
erfahren aber am 12. Februar 1790, daß die kurmainzer Regierung noch nicht
darauf geantwortet hat. Wann diese wichtige Reparatur und wann die noch
fehlende Kanzel aufgerichtet wurden, können wir aus den Akten heute nicht mehr
feststellen.
Die Gestaltung des Kircheninneren wurde im Jahre 1788 vom
Heidelberger Bildhauer Düchert vorgenommen.
Düchert werden in Schönmattenwag auch die Altarmensen der
beiden Nebenaltäre, die Kommunionbank und die Kanzel zugesprochen. Die während
ihres Baues so stark umstrittene Kirche gehört nicht nur als Baukörper und
Raumschöpfung durch die außergewöhnliche Qualität ihres Baumeisters Georg Günther,
sondern auch durch die hochstehende, einheitliche Innenausstattung des
angesehenen Heidelberger Bildhauers Düchert zu dem Wertvollsten, was der
Odenwald uns heute in dieser Hinsicht noch zu bieten hat.
Die Kirchenweihe fand am 27. 9. 1789 durch den Wormser Weihbischof Stefan Alexander Würdtwein statt.
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